Stärkung der Lebensenergie

Die Traditionelle Chinesische Medizin in der Praxis

Erschienen in KGS Ausgabe Juli 2005

In unserer letzten Ausgabe hat Bernd Monecke die Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin erläutert. Um die Praxis kennenzulernen, hat Haidrun Schäfer eine Behandlungsabfolge mitgemacht und schildert den Ablauf und ihre Eindrücke.

Erstanamnese
Um zu Bernd Monecke in seiner Praxis am Bambusgarten zu gelangen, passiert man tatsächlich einen mit Bambushecken geschmückten kleinen Hof am Prenzlauer Berg. Auf der einen Seite gedeiht ein kleiner Kräutergarten und die andere Seite ziert ein hübscher Zengarten. Die Praxis selber wurde sehr ästhetisch und ansprechend unter Gesichtspunkten des kinesiologischen Raumdesigns gestaltet, das Elisabeth Jaskolla entwickelt hat. Ich habe einen Termin für die Erstanamnese. Mein Ziel ist es, meine Lebensenergie und auch das Erdelement mit der Magen-Milz-Ebene zu stärken. Zwei Stunden lang geht es um meine individuellen Krankheitssymptome, um emotionale und soziale Verhaltensweisen sowie deren Entstehung. Abschließend betrachtet Bernd meine Zunge im Hinblick auf Form, Farbe und Beschaffenheit des Belages. Die Pulse nimmt er über die radialen Arterien beider Handgelenke an jeweils drei Positionen. Diese sind u.a. den Leitbahnen und deren Organen zugeordnet. Es gibt über 28 verschiedene Pulsqualitäten, die spezifische Hinweise auf den Zustand des Patienten geben. Zum Schluss vereinbaren wir einen zweiten Termin, an dem ein längeres Beratungsgespräch mit Ernährungstipps, der Verordnung einer speziellen Teemischung und einer ersten Akupunkturbehandlung stattfinden wird.

2. Sitzung – Diagnose
Auf konstitutioneller Ebene habe ich einen Leber-Qi-Stau. Das Leber-Qi ist u.a. für den freien Fluss der Emotionen zuständig. Ziel einer TCM-Behandlung ist u.a. ein natürlicher Umgang mit Emotionen, d.h. sie sollten weder zurückgehalten oder aufgestaut werden noch sollte man sich in sie hineinsteigern. Im besten Falle werden Emotionen einfach gelebt, wenn sie auftauchen, ohne sie zu bewerten. So hat z.B. Trauer einen erleichternden und Wut einen erlösenden Charakter. Auf der psychosomatischen Ebene haben meine Stressträume einen Zusammenhang zu dem Leber-Qi-Stau. Hun ist der seelische Aspekt der Leber und ist für die Träume mitverantwortlich. In der Nacht geht das Hun auf Wanderschaft und wenn man zuviel träumt, dann ist das Hun zu aktiv. Weitere Diagnosepunkte sind eine Anlage zu einer Milz-Yang-Schwäche, eine Nieren-Yang-Schwäche und zu viel Feuchtigkeit im Körper. Hauptansatzpunkt der Behandlung ist, die Feuchtigkeit auszuleiten, den Leber-Qi-Stau zu lösen und die Milz zu stärken. Dazu setzt Bernd drei Nadeln, die 20 Minuten ihre Wirkung entfalten können. In den ersten Minuten genieße ich zusätzlich die unterschiedlichen Klänge der Klangschalen, die Bernd auf mein Herz und meinen Bauch stellt. Er setzt sie zur Unterstützung ein, um mich schnell in tiefe Entspannungsebenen zu führen. Alles fließt und ich lausche der Lebendigkeit meines Körpers.

Ernährungsrichtlinien der TCM
Die zweite Sitzung beinhaltet außerdem spezielle Ernährungstipps für meinen persönlichen Fall. Die chinesische Ernährungslehre richtet sich nach dem Temperatur- und Geschmacksverhalten von Nahrungsmitteln sowie ihrer energetischen Wirkungen. Allgemein lässt sich zur Ernährung nach der TCM sagen, dass es nicht nur wichtig ist, was man isst, sondern auch wie man isst. Dabei wird auf Regelmäßigkeit, Ruhe und gründliches Kauverhalten Wert gelegt. Ein Grundsatz ist, dass die fünf Hauptgeschmacksrichtungen, die auch den fünf Elementen zugeordnet sind, bei den Mahlzeiten in ausgeglichenem Maß vertreten sind: bitter, scharf, süß, salzig und sauer. Da ich zu viel Feuchtigkeit im Körper angesammelt habe, sollte ich leicht scharf essen: Ingwer und Pfeffer, Chili dagegen ist zu scharf. Empfohlen werden drei Hauptmahlzeiten pro Tag. Da Magen und Milz für die Verdauung zuständig sind und ihre Hauptaktivitätszeiten zwischen 7 und 9 bzw. 9 und 11 Uhr liegen, sollte man die Hauptmahlzeit morgens zu sich nehmen, mittags eine mittlere Mahlzeit und abends eher wenig. Bei jedem Essen sollte gekochtes Getreide dabei sein: morgens Hirse, Maisgries oder Reis mit Nüssen oder gedünstetem Obst, allerdings heimisches Obst und keine Südfrüchte, weil die zu kalt wirken. Frisches Obst und Salat oder Sprossen sollte man nicht zu viel essen und vor allem nach dem warmen Anteil, weil Rohes schwerer zu verdauen ist. Über das warme Getreide wird Magen und Milz gewärmt und so zur Verdauung optimal vorbereitet. Mittags sollte die Mahlzeit zur einen Hälfte aus gekochtem Getreide bestehen und zur anderen aus gekochtem Gemüse, das am besten gelb, rund und süß ist, denn das stärkt die Milz besonders: Möhren, Kohlrüben oder Kürbis. Abends sollte man wenig und nicht nach 19 Uhr essen, am besten Suppen und leicht verdauliche Speisen. Zu meiden sind zu viel Süßigkeiten, zu viel Milchprodukte und zu viel Brot, weil alle zu viel Feuchtigkeit produzieren, was die Milz schwächt. Gekochtes Getreide ist besser zu verdauen als gebackenes Getreide und leichtes, trockenes Brot ist besser als schwere Vollkornbrote. Zu meiden sind auch Alkohol und alle extremen Geschmacksrichtungen: zu süß mit Süßigkeiten oder Honig, zu bitter mit zu viel Kaffee oder zu sauer auch bei zu viel Südfrüchten. Fleisch wird in geringen Mengen 2-3mal in der Woche empfohlen – als Ersatz Tofu, um Eiweiße zu sich zu nehmen. Je nach Konstitution werden bestimmte Fleischsorten ausgesucht. Zusätzlich zu persönlichen Ernährungstipps erhalte ich eine Kräuterteemischung aus sieben verschiedenen westlichen Kräutern, die nach energetischen Kriterien der TCM zusammengestellt ist.

3. Sitzung
Zu Beginn der dritten Sitzung geht es um meinen aktuellen Zustand: Hat sich was verändert, gibt es körperliche Symptome, sind Emotionen aufgetaucht? Für die Akupunktur wählt Bernd wieder Punkte, die die Feuchtigkeit ausleiten, den Qi-Stau lösen und die Milz stärken. Die Behandlung betrifft sowohl die konstitutionelle Ebene als auch akute Beschwerden. Wieder empfinde ich die Klangschalen auf Herz und Bauch als sehr wohltuend.

Schüttel-Qigong
Bei dieser Sitzung zeigt Bernd mir eine Qigong-Übung. Ein Ziel von allen Qigong-Stilen besteht darin, eine innere Haltung des Nicht-Bewertens und der inneren Freude, Ruhe und Kraft zu entwickeln und nach und nach in den Alltag zu integrieren. Bernd unterrichtet den Chan-Mi-Qigong-Stil – das Wirbelsäulen-Qigong. Es ist ein schamanistisch-buddhistischer Stil, der über 3000 Jahre alt ist. Das Schüttel-Qigong kommt nicht aus dieser Tradition, sondern wird als Vorübung genutzt und eignet sich bestens, um meinen Qi-Stau zu lösen. Man stellt sich schulterbreit hin, geht leicht in die Knie, winkelt die Arme leicht an und beginnt, mit einem inneren Lächeln mit den Knien zu vibrieren, woraufhin der ganze Körper leicht mitvibriert und damit das Qi ins Fließen gebracht wird. Das dauert 5-10 Minuten und danach gibt es noch ein paar Bewegungen, um das Qi am Bauch zu zentrieren. Als Hausaufgabe soll ich jeden Morgen diese Übung machen. Für die Effektivität ist es viel besser, täglich 10 Minuten als einmal in der Woche zwei Stunden zu üben.

Der Gang zur Versöhnung
Um den Leber-Qi-Stau auf der emotionalen Ebene zu lösen, schenkt mir Bernd eine Übung, die nicht aus der TCM kommt, sondern beim Avatar-Training angewendet wird. Es ist der Gang zur Versöhnung. Es gibt verschiedene Themen für Gänge zur Versöhnung. Mein Gang soll sich mit Ärger und Ängsten beschäftigen. Für den Hinweg setze ich mir einen bestimmten Punkt als Ziel, auf den ich Schritt für Schritt zugehe. Bei jedem Schritt spreche ich etwas aus, was ich aus Ärger oder Angst getan habe oder unterlassen habe zu tun. Dabei geht es nicht nur um die großen Ereignisse, sondern auch um Kleinigkeiten: alles, wo ich Schuldgefühle oder einen Rechtfertigungsdrang habe. "Aus Ärger über meinen Sohn bin ich zu laut geworden." Während des Ganges ist es wichtig, die Emotion auch wirklich zu fühlen. Das kann insgesamt 10-20 Minuten dauern. Am Ziel angekommen, mache ich mir Gedanken über Zeitspannen: Wie fühlen sich drei Minuten an, eine Woche, fünf Monate, 20 Jahre? Das lässt Gras über die Sachen wachsen, die ich auf dem Hinweg angesprochen habe. Auf dem Rückweg spreche ich Segenswünsche für die einzelnen Personen, die auf dem Hinweg aufgetaucht sind und auch mir selber wünsche ich Glück und Wohlergehen. Wenn ich am Ziel angekommen bin, gibt es einen Moment der Ruhe. Die Übung dient dazu, Emotionen bewusster zu machen und auch, sie loszulassen. Sie wird bei Bedarf angewendet und ist ein schönes Werkzeug, Emotionen wahrzunehmen, ohne in ihnen gefangen zu bleiben.

4. Sitzung
Wieder beginnt der Termin mit einem Gespräch über meine aktuellen Symptome und Träume. Da mit der Akupunktur auch die unbewussten Ebenen angesprochen werden und Träume Aufschluss über den aktuellen Zustand geben, bezieht Bernd Themenschwerpunkte von Träumen in seine Diagnose mit ein. Diesmal stärken die Nadeln den Quellpunkt der Milzleitbahn und bringen zusätzlich mein Leber-Qi in Fluss. Statt mich zu entspannen, habe ich eine geniale Idee, wie ich meinen Lebenstraum von Südfrankreich mit meiner astrologischen Tätigkeit vereinbare...

5. Sitzung
Die Leber ist psychologisch zuständig für Pläne und die Gallenblase für Entscheidungen. Da Bernd viel auf dieser Ebene behandelt, kann es durchaus sein, dass sich Auswirkungen in verschiedenen Lebensbereichen zeigen. Beim Gespräch in der 5. Sitzung wird deutlich, dass zur Zeit in beruflicher Hinsicht mit immer mehr Horoskopaufträgen und neuen Projekten, die mir Freude machen, deutlich mehr Energie im Fluss ist – ich staune. Bernd möchte mit seiner Arbeit Impulse geben – jeder nimmt sie unterschiedlich auf und verwertet sie individuell. Ich scheine nach drei Akupunktursitzungen gerne die Möglichkeiten wahrzunehmen... Auch meine Konstitution hat sich verbessert – das bestätigen meine Pulse: Waren sie am Anfang kaum zu spüren, sind sie heute in allen drei Ebenen tastbar – ein tolles Ergebnis! Die Hausaufgaben für mich nach dieser Sitzung bestehen darin, das Erdelement und damit die Magen-Milz-Ebene auf psychologischer Ebene zu stärken: Den Alltag mit Ruhe und Achtsamkeit bewältigen – Kind, Haushalt, Mahlzeiten und Garten- bzw. Balkonarbeiten. Später lädt mich ein lauer Abend auf unseren Balkon zum Ginster beschneiden, fegen, wässern und bemuttern ein.

Wiegender Bambus
In dieser Sitzung zeigt mir Bernd eine weitere Qigong-Übung. Es ist eine der vier Basisbewegungen des Chan-Mi-Qigong-Stils, bei der man die Wirbelsäule lockert und stärkt, indem man sich wie Bambus im Wind wiegt und die Wirbelsäule in Wellenbewegungen in alle Richtungen bewegt. Am besten übt man sie nach dem Schüttel-Qigong. Generell sollte man sich Qigong-Übungen immer von einem Lehrer zeigen lassen, der die Feinheiten korrigieren kann.

Fazit
Der Behandlungsstil von Bernd Monecke geht – wie man sieht – über die klassischen Behandlungsmethoden der TCM hinaus. Sein Anliegen ist es, Menschen bei ihren individuellen Heilungsprozessen zu begleiten, tiefer liegende Emotionen bewusst zu machen, um so zu einer komplexeren Wahrnehmung seiner Selbst und gesteigerten Lebensfreude und Kraft zu gelangen. Ich bin überrascht, wie viel diese wenigen Sitzungen bei mir ausgelöst haben und freue mich auf die neuen Horoskopaufträge.